Norbert Leithold liest Graf Goertz
Norbert Leithold liest aus seiner Biografie:
Graf Goertz. Der große Unbekannte - Eine Forschungsreise in die Goethezeit

Er saß mit Goethe am Frühstückstisch und erklärte Prinz Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach die Welt: Graf Goertz (1737–1821) war ein bedeutender Staatsmann sowohl in der Glamourwelt des Weimarer Künstlerhofes als auch in Potsdam. Der Historiker Norbert Leithold stößt 2003 in einem Antiquariat auf eine mysteriöse Fußnote: „In seinen Büchern soll der Graf geschrieben haben, was er aus Nähe zum König (gemeint ist Friedrich II.) nicht hätte schreiben dürfen.“ Die Fußnoten führen Leithold zu einem Schatz von historischer Bedeutung. In einem süddeutschen Adelsarchiv findet er den bisher unbeachteten Briefwechsel zwischen dem Grafen Johann Eustach von Goertz und seiner Gattin. Diese Korrespondenz erzählt von einem aufregenden Leben.

Es begann in Weimar. Dort wirkte Graf Goertz als Erzieher des künftigen Herzogs Carl August. Am 3. September 1775 legte Anna Amalia zugunsten ihres Sohnes die Regentschaft über das Herzogtum nieder. Schon am 7. November, frühmorgens, zog der 26jährige Goethe, der künftige Favorit, Genius des Hofes und Staatsminister in Weimar ein. Der junge Herzog hatte dem von ihm bewunderten Verfasser des „Werther“ (1774) eine nagelneue Kutsche nach Frankfurt geschickt.
Goethe, Carl August, Anna Amalia, Wieland u.a.: Neues vom Weimarer Musenhof

Mit Goethes Ankunft setzte ein geniehaft tollkühnes Treiben bei Hofe ein. An wechselnden Schauplätzen der geistigen Residenz, zwischen Wittumspalais, Schloss Ettersberg, Tiefurt, Jägerhof, Schloss Kochberg, Dornburg und dem Gartenhaus an der Ilm hob jene glanzvolle Blüte aus Dichtung, Singspiel, Liebhabertheater, literarischer Journale und kulturell freundschaftlicher Geselligkeit an, die in die Zeit der Weimarer Klassik münden sollte. Inmitten des legendären Musenhofes zwei Frauen, die um ihren Einfluss auf das Dichtergenie wetteifern: Frau Charlotte von Stein, der Goethe 1.600 Briefe schrieb, und Anna Amalia, die literaturbegeisterte Regentin. Missmutig am Rande: der Kirchenmann Johann Gottfried Herder, der in Verbitterung entweicht.
Als teilnehmender Beobachter von Anfang an dabei. Graf Johann Eustach von Goertz, der seine Eindrücke aus Goethes erstem Weimarer Jahrzehnt gemeinsam mit seiner Frau Caroline von Goertz (1749-1809), einer Hofdame Anna Amalias in Marginalien und Briefen notierte. Goertz war nicht nur Weimarer Prinzenerzieher und Hofmann, er war Diplomat, Geheimagent und zählte zu den wichtigsten Strippenziehern der Epoche. Er war ein Vertrauter König Friedrichs II. und kam Napoleon sehr nahe. So nimmt Norbert Leithold seine Leser mit auf eine unterhaltsame Entdeckungsreise in die Goethe-Zeit und entrollt ein grandioses kulturgeschichtliches Panorama, das den Blick auf diese Epoche an manchen Stellen konkretisiert und korrigiert.

Über den Autor:
Norbert Leithold, Jahrgang 1957, Schriftsteller und Historiker forschte u.a. zu den Lebensbornheimen in der NS-Zeit. Forschungen und Publikationen zum späten 18. Jahrhundert: "Irrtümer über
Friedrich II. von Preußen" (2004), "Friedrich der große Hasardeur" (2005), "Eine politische Theorie zum Weimarer Musenhof" (2008). Er leitet seit 2007 das Forschungsprojekt "Goertz – ein
europäischer Horizont". Derzeit bereitet Leithold die Herausgabe des 1. Bandes der Goertz-Korrespondenz (1771-1779) vor. Er erscheint im Herbst 2010 im Osburg Verlag. Weitere Bände
folgen.
»Dank Leithold kann man sagen (wenn man vorsichtig und nüchtern ist): die Verhältnisse zwischen Anna Amalia, der Stein, Goethe und dem Herzog sind jedenfalls sehr viel komplexer, als bisher
angenommen wurde, politisch, machtpolitisch und erotisch!« (Jörg Drews)
Mittwoch, 14. April 2010
Ratsaal des Alten Progymnasiums Rietberg, Klosterstr. 13
20:00 Uhr
VVK: 6,00 Euro
AK: 8,00 Euro
Veranstalter:
Buchhandlung Lesezeichen, kulturig e.V. und die Stadtbibliothek Rietberg